Eingruppierung: selbständige Leistungen von Vollstreckungsbeschäftigten
von Marina Romaschin, Geschäftsbereichsleitung Strategie und Kommunikation
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Vollstreckungsaußendienst: Selbständige Leistungen; Urteil des LAG Niedersachsen
Für den Vollstreckungsaußendienst herrscht eine uneinheitliche Rechtslage in der Bewertung selbständiger Leistungen bei den Arbeitsgerichten in Deutschland. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat hierzu eine aktuelle Entscheidung gefällt, die zunächst abschließend sein dürfte.
Entwicklung des Themas
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte mit Urteil vom 07.07.2016 (8 Sa 306/16) entschieden, dass…
- …sich die gesamte Tätigkeit eines kommunalen Beschäftigten im Aufgabenfeld des „Vollziehungsbeamten“ als einheitlicher Arbeitsvorgang darstellen kann,
- …hierzu regelmäßig gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erforderlich seien,
- …ein „Vollziehungsbeamter“ im Außendienst, der regelmäßig Beurteilungsspielräume auszufüllen, Ermessensentscheidungen zu treffen, Prognosen zu entwickeln und Schätzungen vorzunehmen hat, „selbständige Leistungen“ im Sinne des Tarifrechts erbringe.
Im aktuellen Geschehen hat das Arbeitsgericht Oldenburg (Urt. vom 25.03.2019, 4 Ca 97/18 E) gleichwohl einen entsprechenden Antrag eines im Vollstreckungsaußendienst tätigen Klägers auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9a zurückgewiesen.
Allerdings wurde diese Entscheidung nur mit der mangelnden Darlegung des Klägers begründet. Es genügte dem Gericht nicht, dass der Kläger nur die Argumentation des Arbeitsgebers in Abrede stellte oder aber Beurteilungsspielräume behauptete. Er müsse anhand konkreten Vortrages zu seinen tatsächlichen Tätigkeiten darlegen, dass vor Ort signifikante Entscheidungsspielräume verbleiben. Da dies nicht geschehen war, sah sich das Arbeitsgericht nicht im Stande, dem Antrag stattzugeben.
Die Ausführungen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast, die die jeweiligen Kläger*innen trifft, entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung. Zahlreiche Verfahren zur Eingruppierung werden deshalb verworfen, weil einfach keine dezidierten Gründe vorgebracht werden. Das führt häufig zu Missverständnissen: gerade in diesem Fall hat das Gericht nicht festgestellt, dass der Vollstreckungsaußendienst keineselbständige Tätigkeit im Sinne des Tarifrechts ist – sondern nur, dass der Kläger dies nicht hinreichend begründet dargelegt hat.
Aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts
Und so darf es nicht verwundern, dass das Landesarbeitsgericht Niedersachsen im Berufungsverfahren (Urt. vom 04.11.2019, 1 Sa 394/19 E) das Urteil geändert und den Arbeitgeber verpflichtet hat, dem Kläger rückwirkend eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a TVöD (VKA) zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf den monatlichen Differenzbetrag zur gezahlten monatlichen Vergütung zu zahlen.
Nach der – ausführlich begründeten – Auffassung des Gerichts stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
- der Vollstreckungsvorgang zur Beitreibung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Forderungen für die Bereiche Kreisverwaltung, Abfallwirtschaft, Rettungsdienst und fremde Behörden stellt einen einzigen Arbeitsvorgang dar,
- soweit der Arbeitsvorgang der Vollstreckung im Außendienst betroffen ist, ergeben sich bereits aus den anzuwendenden Vorschriften, dem niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz, der ZPO (teilweise), der Gemeindekassenverordnung (teilweise), dem Zwangsversteigerungsgesetz (teilweise), dem Insolvenzrecht (teilweise), dem BGB (teilweise), der Dienstanweisung für den Vollstreckungsbeamten der Kreiskasse sowie dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, dass gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erforderlich sind,
- die Tätigkeit stellt sich als selbstständige Leistungen in dem tariflich geforderten Umfang dar.
Infolgedessen wurde die Eingruppierung nach E 9a bestätigt.
Anmerkung zur Übertragbarkeit auf andere Kommunen
Der Vollstreckungsaußendienst als solcher kann ohne selbständige Leistungen nicht (sachgerecht) funktionieren. Dass muss man einmal feststellen – die Arbeit wird von außen häufig einfach anders eingeschätzt, als sie sich tatsächlich darstellt. Das bedeutet quasi automatisch, dass überall dort, wo ohnehin nur ein*e einzige Beschäftigte*r tätig ist (oder mehrere Beschäftigte jeweils für sich vollumfänglich arbeiten), die Entgeltgruppe 9a diesen Arbeitsvorgang beherrschen wird.
Lediglich dort, wo es eine Aufgabenspezialisierung durch Arbeitsteilung in mehrere Beschäftigte gibt, kann sich eine (niedrigere) Eingruppierung darstellen.
Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gern.